SPIEGEL ONLINE on “Why Are You Creative” – 01/31/2018

 

SPIEGEL ONLINE on “Why Are You Creative” – 01/31/2018

Wenders, Gaultier, Tarantino Warum sind Sie kreativ?

Sie haben ihm alle geantwortet: Steven Spielberg und Angelina Jolie, Nelson Mandela und der Dalai Lama. Seit 30 Jahren fragt Filmemacher Hermann Vaske Promis nach ihrer Kreativität. Hier erzählt er, was ihn am meisten überrascht hat.

 

Ein Interview von Verena Töpper

“Ich glaube, es hält mich davon ab, Leute zu töten”, antwortete Kinostar Samuel L. Jackson. Schauspielkollegin Milla Jovovich sagte: “Weil ich hungrig bin.” Künstler Damien Hirst kritzelte einen ejakulierenden Penis und eine Vagina, Regisseur Wim Wenders zeichnete einen Teddybären. Und Musiker David Bowie drückte einfach ein Loch ins Papier.

Mehr als tausend Prominenten hat Filmemacher Hermann Vaske in den vergangenen 30 Jahren eine Frage gestellt: Warum sind Sie kreativ?

Mit manchen war er tagelang unterwegs, andere hat er in Hotelfluren abgefangen. Und ihre Antworten hat er gesammelt. Es sind lustige dabei, nachdenkliche, wirre. Videos, Zeichnungen, Texte. Schauspieler Johnny Depp kritzelte auf eine Zigarillo-Schachtel, der ehemalige US-Präsident George Bush senior auf die Rückseite eines Tagungs-Handouts und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf einen Briefumschlag.

Seine Favoriten präsentiert Vaske nun in einer Ausstellung. Vom 2. Februar bis zum 8. April ist sie im Museum für Kommunikation in Berlin zu sehen, später soll sie nach Frankfurt am Main weiterziehen.

SPIEGEL ONLINE: Herr Vaske, warum sind Sie kreativ?

Hermann Vaske: Weil ich extrem neugierig bin. Ich bin seit jeher auf der Suche nach Überraschungen.

SPIEGEL ONLINE: Und welche Antwort auf Ihre Frage hat Sie am meisten überrascht?

Vaske: Ach, das ist schwer zu sagen, es gibt so viele spannende Antworten. Der Regisseur Tony Kaye hat ein Messer gezückt und sein Blut aufs Papier tropfen lassen, das war zum Beispiel sehr eindrücklich. Ridley Scott hat gesagt: “It’s better than cleaning windows”, es ist besser als Fensterputzen. Das fand ich auch sehr originell. Und der frühere US-Präsident George Bush senior hat als Frage verstanden: “Why are you created?”, warum sind Sie erschaffen worden. Das hat seine Bodyguards alarmiert und war auch eine sehr skurrile Situation.

SPIEGEL ONLINE: Ist George Bush überhaupt ein kreativer Mensch?

Vaske: Da kann man sicherlich drüber streiten. Seine Antwort war jedenfalls eine typische Politikerantwort, ziemlich verschwurbelt. Politikerantworten sind eigentlich schon eine eigene Kategorie.

SPIEGEL ONLINE: In welche Kategorien lassen sich die Antworten denn einteilen?

Vaske: Die grundsätzliche Frage ist ja: Woher kommt das? Was bringt Menschen dazu, kreativ zu sein? Und was man nicht erklären kann, wird gern auf Einflüsse von außen geschoben, etwa Spiritualität oder Gott. Es ist spannend, sich die Antworten unter diesem Aspekt anzuschauen. So kann man sie nach den Motiven ordnen, zum Beispiel Angst oder Aufregung. Aber auch Langeweile, Schicksal, Zwang oder Sexualität werden immer wieder als Triebfedern genannt.

SPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie denn auf die Idee zu dem Projekt gekommen?

Vaske: Ich habe früher in der Werbebranche gearbeitet, und in der Agentur Saatchi & Saatchi in London hatte ich einen großartigen Mentor, den Kreativdirektor Paul Arden. Mit diesem saßen wir eines Abends zusammen im Garten seines Landhauses und er fragte in die Runde: Warum machen wir das eigentlich? Daraufhin guckte ich in den Himmel und plötzlich kam mir diese Frage in den Sinn: Warum sind wir kreativ? Seither befinde ich mich auf dieser Moby-Dick-haften Suche nach der Kreativität.
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SPIEGEL ONLINE: Das klingt, als seien Sie ein Getriebener.

Vaske: Ja, das hat schon etwas Besessenes und Zwanghaftes. Aber ich sehe da auch einen humanistischen Aspekt: Ich kartografiere die Kreativität unserer Zeit und schaffe damit eine Art Zeitkapsel für kommende Generationen. Man lernt etwas, wenn man sich die Antworten dieser kreativen Menschen ansieht. Man ist gezwungen, über die eigene Kreativität nachzudenken. Und man wird gut unterhalten.

SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie denn all diese Promis dazu gekriegt, bei Ihrem Projekt mitzumachen?

Vaske: Häufig ergeben sich Kontakte über mehrere Ecken. Ich habe ja selbst schon einige Filme gedreht und kenne viele Menschen aus der Branche. Manchmal schicke ich auch einfach eine Anfrage ans Management. Oder ich treffe jemanden bei einem Filmfestival und frage spontan. Kreativität hat ja auch etwas mit Großzügigkeit zu tun. Viele Stars sind erstaunlich zugänglich. Aber natürlich ist auch Hartnäckigkeit gefragt. Auf die Antwort des Künstlers Ai Weiwei habe ich ein ganzes Jahr gewartet.

 

Zur Person

Hermann Vaske, Jahrgang 1956, studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Berliner Universität der Künste und Regie am American Film Institute in Los Angeles. Er arbeitete zunächst in der Werbebranche und erhielt mehr als 100 Kreativpreise, unter anderem für eine Werbespot-Serie, in der Blixa Bargeld aus Hornbach-Katalogen vorliest. Als Regisseur arbeitete er mit Schauspielern wie Dennis Hopper, Harvey Keitel und John Cleese. Er dreht vor allem Dokumentarfilme und wurde dafür unter anderem mit dem Grimme Preis ausgezeichnet. Sein neuer Film “Why Are We Creative? The Centipede’s Dilemma” kommt im Sommer 2018 in die Kinos.

 

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“Wenders, Gaultier, Tarantino Warum sind Sie kreativ?”

http://www.spiegel.de/karriere/angelina-jolie-johnny-depp-steven-spielberg-warum-prominente-kreativ-sind-a-1190341.html